Es gibt Hilfe.
Die gute Nachricht lautet: Es gibt Therapiemöglichkeiten.
Die schlechte Nachricht lautet: Leider führen die Therapien bei besonders stark von Hyperemesis gravidarum betroffenen Schwangeren zwar möglicherweise zu einer Besserung, in der Regel aber nicht dazu, dass es den Betroffenen wirklich gut ginge. Im Idealfall - und auch das leider nicht immer - lässt sich der Gewichtsverlust stoppen, die Dehydration ausgleichen und wenigstens Phasenweise ein Hauch von Lebensqualität zurückgewinnen. Das sei vorab gesagt, um die Hoffnungen und Erwartungen nicht zu groß werden zu lassen und um zu verdeutlichen, dass die Hyperemesis gravidarum ein Zustand ist, der immer der vielseitigen Unterstützung bedarf. Es ist meistens eine lange "Hungerstrecke" für die schwangere Frau und ihr Umfeld. Es ist sinnvoll, sich darauf einzustellen. Säulen der HG-Therapie
Aus meiner Sicht basiert die Therapie der Hyperemesis gravidarum auf vier Säulen:
Nutzen-Risiko-Abwägung (Bewusstsein des Risikos der HG)
Kontraindikationen Einstellungen zu diesen Optionen Wissen um diese Optionen Zeitpunkt des Therapiebeginns Risikowahrnehmung Medikamentöse Optionen
Frauen mit Hyperemesis gravidarum erhalten je nach Schwere der Erkankung, Komplikationsrisiko, Nutzen-Risiko-Abwägung sowie Einstellung bzw. Kenntnisstand der behandelnden Medizinier*innen verschiedene Medikamente.
Die medikamentösen Behandlungsoptionen gehen deutlich über Globuli, Dimenhydrinat (z. B. Vomex®), hinaus und reicht über sogenannte 5-HT3-Rezeptor-Antagonisten (z. B. Ondansetron/Zofran® - in den USA bei schwerer HG häufig verordnet) als second line-Medikation bis hin zu Steroiden (hierzu gibt es einige Publikationen aus UK) als third line-Medikation - doch die Entscheidung, was im Einzelfall indiziert ist, obliegt dem behandelten Ärzten. Die Nennung dieser Medikamente ist keine Empfehlung, diese ohne ärztliche Verordnung anzuwenden! Embryotox informiert
Patientinnen können sich auf der Homepage von Embryotox bezüglich medikamentöser Behandlungsoptionen informieren und telefonisch beraten lassen. Die Seite mit der Telefonnummer finden Sie hier. Außerdem hat Embryotox einige Informationen über Hyperemesis gravidarum und deren medikamentöse Behandlung zusammengestellt. Diese finden Sie hier. Welche der von Embryotox genannten Medikamente in individellen Fall angezeigt sind muss im nächsten Schritt mit dem behandelnden Mediziner besprochen werden. RCOG Green-top Guideline No. 69
siehe auch RCOG Green-top Guideline No. 69 des Royal College of Obstetricians and Gynaecologists:
Norwegische Guideline (in englischer Sprache)
The Nordic Federation of Societies of Obstetrics and Gynecology (NFOG) hat 2014 eine Guideline veröffentlicht, in der auf die verschiedenen Behandlungsoptionen eingegangen wird. (Autoren: Åse Vikanes, Jone Trovik et al.) Link zu den Seiten der Patientenvertreungen der USA und der UK zum Thema medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten:
Als Antiemetika werden Medikamente bezeichnet, welche gegen die Übelkeit und das Erbrechen (Emesis) wirksam sind. Entsprechend ihrem Namen gibt es Medikamente, die eher gegen das Erbrechen und weniger gegen die Übelkeit wirksam sind. Andere Medikamente schaffen Erleichterung sowohl bezüglich des Erbrechens als auch bezüglich der Übelkeit.
Bei den meisten Antiemetika ist es so, dass sie nicht allen Menschen im gleichen Maße helfen. Manche Betroffene sprechen auf das eine Medikament an, anderen hilft ein anderes. Das ist bereits bekannt vom Einsatz von Antiemetika im Rahmen Übelkeit/Erbrechen nach einer Narkose - und dieses unterschiedliche Ansprechen auf Antiemetika kann man auch bei der Hyperemesis gravidarum beobachten.
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Pridoxin: Vitamin B xxx
ThiaminThiamin ist B-Vitamin. Ein Mangel an Thiamin kann zu einer sogeannten Wernicke Enzephalopathie führen. Die Wernicke Enzephalopathie stellt eine sehr seltene Komplikation der Hyperemesis gravidarum dar, dann nämlich, wenn nach einem längeren Zeitraums des Erbrechens die Patientinnen mit Glukoseinfusionen versorgt werden oder künstlich ernährt werden ohne zuvor mit Thiamin versorgt worden zu sein. Ganz offensichtlich einige Krankenhäuser halten es inzwischen so, dass Hyperemesispatientinnen standardmäßig Thiamin gegeben wird - so liest man es zumindest in den Publikationen verschiedenster Arbeitsgruppen..
Wahrnehmung von Risiken
Dass die Wahrnehmung von Risiken sich unterscheidet von den tatsächlichen Risiken ist ein in der Psychologie schon lange bekanntes und mehrfach untersuchtes Phänomen. Das gilt auch für den Einsatz von Medikamenten in der Schwangerschaft. Unglücklicherweise ereignete sich die große Contergan-Katastrophe mit einem Medikament, welches Frauen unter anderem gegen Schwangerschaftsübelkeit verordnet wurde. Dieses Disaster hat nachhaltig geprägt und uns zurecht vorsichtig und achtsam gemacht mit Medikamenten in der Schwangerschaft. Inzwischen ist es jedoch so, dass von einigen Medizinern nachdrücklich bedauert wird, dass Frauen in der Schwangerschaft medikamentös unterversorgt sind und dass notwendige, effiziente und unschädliche Medikamente an Schwangere zu selten verschrieben werden - und von Schwangeren zu selten eingenommen werden.
Im Falle der HG zeigt sich, dass viele Frauen die Information erhalten, dass außer Vomex (Dimenhydrinat) nichts verordnet werden könne - und selbst wenn sie einen Arzt oder eine Ärztin haben, welche noch weitere Medikamente verordnen würde, so trauen sich die Frauen häufig nicht, diese einzunehmen. Natürlich sollte niemand in der Schwangerschaft ein Medikament nehmen, welches nicht wirklich nötig ist - doch im Falle der HG kenne ich wirklich erschreckende Fälle, in denen man sich fragt, warum nicht mehr antiemetische Medikation versucht wurde. Besonders tragisch ist das, wenn die Misere in einem Abbruch von vormals geplanten und gewünschten Kindern endet. Und genau dieser Umstand findet sich auch in der Fachliteratur an zahlreichen Stellen angemahnt: Die Artikel, die meist mit Blick auf die Situation in den USA geschreiben sind. Und so mag es auch nicht wundern, dass gerade die Hyperemesis Education and Research-Stiftung (HER foundation) auf ihren Seiten ausführlich auf die Komplikationen der Hyperemesis gravidarum eingeht: Denn in der Risikoabwägung - wenn also Erkrankungsrisiken und Medikamentenrisiken gegeneinander aufgewogen werden - ist es von entscheidender Bedeutung, wie die möglichen Komplikationen der Hyperemesis gravidarum gewichtet werden. Ich sehe hier einen Trend, diese Komplikationen verstärkt zu beleuchten und zu würdigen. Solange die Hyperemesis gravidarum als Befindlichkeitsstörung abgetan wird legitimiert sich keine Medikamentengabe. Es bedarf somit eines Wissens sowohl um die Risiken der Hyperemesis gravidarum als auch um die Risiken der Medikamente, um zu einer Entscheidung im Einzelfall zu gelangen. |
Literatur
Arzt-Patient-Verhältnis
- Munch, Shari; Schmitz, Mark F. (2007): The Hyperemesis Beliefs Scale (HBS): a new instrument for assessing beliefs about severe nausea and vomiting in pregnancy. In: J Psychosom Obstet Gynaecol 28 (4), S. 219–229.
- Poursharif, B.; Korst, L. M.; Fejzo, M. S.; MacGibbon, K. W.; Romero, R.; Goodwin, T. M. (2008): The psychosocial burden of hyperemesis gravidarum. In: J Perinatol 28 (3), S. 176–181. Online verfügbar unter: http://www.helpher.org/downloads/The%20psychosocial%20burden%20of%20hyperemesis%20gravidarum.pdf.
- Fejzo, Marlena S.; Poursharif, Borzouyeh; Korst, Lisa M.; Munch, Shari; MacGibbon, Kimber W.; Romero, Roberto; Goodwin, T. Murphy (2009): Symptoms and Pregnancy Outcomes Associated with Extreme Weight Loss among Women with Hyperemesis Gravidarum. In: Journal of Women's Health 18 (12), S. 1981–1987.
Zügiger Therapiebeginn
- Brent, Robert (2002): Medical, social, and legal implications of treating nausea and vomiting of pregnancy. In: American Journal of Obstetrics and Gynecology 186 (5), S. S262–S266.
- Reichmann, James P.; Kirkbride, Michael S. (2008): Nausea and vomiting of pregnancy: cost effective pharmacologic treatments. In: Manag Care 17 (12), S. 41–45.
Title Text.
- Al-Ozairi, E.; Waugh, J. J. S.; Taylor, R. (2009): Termination is not the treatment of choice for severe hyperemesis gravidarum: Successful management using prednisolone. In: Obstetric Medicine 2 (1), S. 34–37. Online verfügbar unter: http://www.helpher.org/downloads/Taylor-research-prednisolone-treatment-2009.pdf
Beschwerden, die auf eine Hyperemesis gravidarum hinweisen könnten, gehört immer in die fachkundigen Hände eines Mediziners. Nur dieser kann die im Einzelfall notwendigen Untersuchungen durchführen und erkennen, ob es sich überhaupt um eine Hyperemesis gravidarum handelt. Nur der Fachmann kann die möglichen Risiken managen und die Behandlung verordnen. Falls Sie betroffen sind: Zögern Sie nicht zu lange und wenden Sie sich an Ihren Arzt oder gegebenenfalls an die Notaufnahme des Krankenhauses.
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letzte Bearbeitung am19.03.2018 durch Anne Hutter