Wer an Hyperemesis Gravidarum leidet braucht Hilfe und Unterstützung. Diese ist oft sehr konkret - auch für Freunde. Für die Außenstehenden gilt vor allem: Dranbleiben, nicht das Interesse verlieren. Zeigen, dass man es aushält, dass sich möglicherweise über einen langen Zeitraum hinweg kaum Besserung abzeichnet. Zeigen, dass man auf die Frage: "Wie geht es Dir?" kein "besser" erwartet.
Ganz unbeliebt sind Sätze, die so verstanden werden könnte, dass die Betroffene etwas falsch macht und deswegen es ihr so übel geht. Ebenso ganz unbeliebt sind Aussagen wie: "Ich kenne das, mir war es auch schlecht." - Hyperemesisfrauen hungern nach Verständnis. Nie verkehrt ist es, sich ein wenig durch das Forum (www.hyperemesis.de) zu lesen um einen Einblick zu erhalten, was die Frauen umtreibt, wodurch sie sich gestärkt und wodurch sie sich besonders verletzt fühlen. Eine Frau berichtete mal von einer Ärztin welche sinngemäß etwas sagte wie: "Ich kann es mir nicht vorstellen, aber nach all dem, was ich von Betroffenen mitbekommen habe muss es sehr schlimm sein."
Was für die Betroffenen eine konrekte Erleichterung sein kann:
Nachvollziehen des Nicht-Nachvollziehbaren:
Es ist glücklicherweise so, dass nicht jeder Mensch jedes Leid selber erleben musste. Die meisten Menschen, die vor einer Frau mit Hyperemesis gravidarum stehen wissen also nicht, wie es sich anfühlt, an einer schweren Hyperemesis zu leiden. Tatsächlich ist es auch schwierig, sich einzufühlen, weil für Nicht-Betroffene hierzu schlicht die Ansatzpunkte fehlen. Vielleicht hatte man mal einen Magen-Darm-Infekt, vielleicht auch mal über den Durst getrunken, aber das alles ist ja nicht vergleichbar mit einem Elend über Wochen und Monate hinweg.
Doch meistens ist das Leid den Betroffenen anzusehen. Möglich, dass sie nicht reden wollen, weil das Reden gerade den Brechreiz verstärken könnte. Möglich, dass sie sich zurückziehen, gereizt reagieren, empfindlich sind, auch vor den Kopf stoßen. Möglich also, dass die Veränderungen der Betroffenen durch die Hyperemesis gravierend sind. Dem zugrunde liegt, dass es enorm belastend ist, mit einer fortwährenden Übelkeit leben zu müssen. Ich möchte daran erinnern, dass früher Menschen mit einer Chemotherapie die Übelkeit und das Erbrechen oft als das Schlimmste empfunden haben - heute hat sich das dank wirksamer Medikamente gegen das Erbrechen geändert. Übelkeit ist einfach ein extrem unangenehmer, aversiver Zustand und wenn dieser nicht enden will, so zehrt dies an den Nerven. HiobEs gibt in der Psychologie einen Begriff, der heißt Validierung und das bedeutet so viel wie: "Das, was Du spürst ist richtig. Es ist genau so und nicht anders." Ein Kind, welches aufs Knie gefallen ist und nun Schmerzen hat, das hat diese Schmerzen. Zu sagen: "das hat doch gar nicht weh getan" wäre somit invalidierend, weil dadurch ein Widerspruch entsteht in der Selbstwahrnehmung des Kindes und dem, was ihm gesagt wird.
Übertragen auf die Hyperemesis gravidarum bedeutet das: Eine Übelkeit ist eine Übelkeit ist eine Übelkeit. Eine Frau, der es extrem schlecht ist ist es extrem schlecht. Validieren heißt zu sagen: "Ich sehe, dass es dir extrem schlecht ist und dass es dir extrem schlecht geht." Hingegen bilden Aussagen wie: "Ach, das ist nicht so schlimm, das gehört einfach dazu ..." nicht die Wirklichkeit der Frauen ab, welche an Hyperemesis gravidarum leiden. Für mich liegt genau darin die Stärke der Hiobsgeschichte. Nachdem Hiob all das, was ihm lieb und teuer war verloren hatte kommen seine Freunde. Sie sehen Hiob in seinem Elend. Sie sehen, wie Hiob leidet und sie sagen sieben Tage und sieben Nächte lang nichts. Sie sind bei ihm in seinem Leiden. Sie relativieren nichts, sie erklären nichts, sie nehmen Anteil und sie stehen bei. |
Auch die Partner und Angehörigen brauchen Unterstützung:
Nähere Angehörige und vor allem die werdenen Väter sind Teil der Hyperemesis-Dynamik. Schließlich ist es das gesamte Familiensystem, welches überrannt wird von der Erkrankung. Das führt zu einer Belastung aller Beteiligten. Emotionen wie Hilflosigkeit, Wut und Verzweiflung betreffen alle nahen Angehörigen. Insbesondere die Partner sind stark belastet.
Zum einen lastet auf die Partner die Sorge um die Frau. Zum anderen kommen durch die Hyperemesis eine Vielzahl an zusätzlichen Belastungen auf die Männer zu. An erster Stelle steht das konkrete _Management der Hyperemesis - vom Halten der Partnerin beim sich-übergeben und säubern des WCs über viel, viel Zuspruch bis hin zu den Gesprächen mit den Ärzten und den Fahrten ins Krankenhaus. Hinzu kommt die Last, welche durch den Ausfall der Partnerin zu tragen ist.
Es scheint mir eher selten so zu sein, dass sich ein Arzt des Mannes annimmt und ihm erklärt, was da auf ihn zukommt, was das ist, was seine Frau hat, wie lange es voraussichtlich andauert – und gleichzeitig treffen viele Fragen und viel Unverständnis der Außenwelt bei ihm auf. In einer Zeit also, in der er nicht nur seinen gewöhnlichen Alltag zu meistern hat, sondern auch noch die Dinge mit übernehmen muss, die sonst von der Partnerin übernommen worden sind (möglicherweise auch die Versorgung der Kinder), in einer Zeit also, in der er alleine was den Alltag anbelangt doppelt belastet ist, fallen nun noch weitere Aufgaben an: Das Trösten der Partnerin, das sich-orientieren-und-verstehen, was die HG ist, möglicherweise das Vermitteln zwischen der kranken Frau und Familienmitgliedern, Freunden und medizinischem Personal. Hinzu kommen mögliche finanzielle Sorgen aufgrund der auflaufenden Kosten der medizinischen Behandlungen bei gleichzeitiger Reduzierung ihres Gehaltes aufgrund der langandauernden Krankschreibungen. Es mag nicht wundern, dass viele Betroffene in dieser belasteten Situation von Partnerschaftskonflikten berichten. Wenn Konflikte zwischen den Partner auftreten, dann lohnt sich ein Blick darauf, dass sich beide in einer extremen Ausnahmesituation befinden. Möglicherweise fühlen sich beide in dieser Situation allein gelassen - und oft sind sie es auch, weil die Standard-Hyperemesisversorgung die Nöte der Väter kaum auffangen kann. |
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Beschwerden, die auf eine Hyperemesis gravidarum hinweisen könnten, gehört immer in die fachkundigen Hände eines Mediziners. Nur dieser kann die im Einzelfall notwendigen Untersuchungen durchführen und erkennen, ob es sich überhaupt um eine Hyperemesis gravidarum handelt. Nur der Fachmann kann die möglichen Risiken managen und die Behandlung verordnen. Falls Sie betroffen sind: Zögern Sie nicht zu lange und wenden Sie sich an eine Hebamme oder einen Arzt Ihres Vertrauens oder gegebenenfalls an die Notaufnahme des Krankenhauses.
letzte Bearbeitung am 13.12.12 durch Anne Hutter